Wibrandis Schwestern

Frauen der Reformation

Welche Personen fallen Ihnen ein, wenn Sie an die Reformation vor über 500 Jahren denken? Martin Luther? Melanchthon? Johannes Calvin? Katharina von Bora? Doch wer kennt Katharina Zell, Wibrandis Rosenblatt, Elisabeth von Calenberg, Magdalena von Staupitz, Argula von Grumbach, Elisabeth Cruziger, Brigitta Wallner? Noch immer verbinden wir die Reformation mit dem Namen berühmter Männer und denken dabei vor allem an Martin Luther. Aber ein Einzelner hätte die umgreifenden Veränderungen niemals allein bewirken können, und auch Frauen hatten eine wichtige Rolle in der Reformation, nicht nur als Ehefrauen, sondern als Reformatorinnen.

Gewandet wie die Reformatorinnen: Bild aus einem Gottesdienst 2017

Frauen aller Stände und aus allen Bevölkerungsgruppen waren aktiv an den Ereignissen und Auseinandersetzungen im Reformationszeitalter beteiligt. Deshalb ist es wichtig, auch an das Wirken von Frauen zu erinnern, die sich auf ihre Weise und mit ihren eigenen Begabungen und Fähigkeiten für das einsetzten, was sie als Wahrheit erkannt hatten.

Es hat viel Mut erfordert, etwas Neues zu wagen und dabei auch Anfeindungen und Unverständnis auf sich zu nehmen. Klug und unerschrocken haben diese Frauen die Anliegen der Reformation aufgegriffen, sie zu ihrer Sache gemacht und sie vorangetrieben. Sie haben dazu beigetragen, dass Kirche sich verändert hat.

Katharina Zell

Gemeinsam mit ihrem Mann Matthäus Zell ist sie aktiv für die Reformation in ihrer Heimatstadt Straßburg eingetreten. Sie hat eigene Schriften veröffentlicht, bei Trauerfeiern gepredigt, war kommunalpolitisch tätig und hat sich schützend vor Glaubensflüchtlinge gestellt. In ihren Schriften finden sich darüber hinaus Anregungen für den Aufbau eines städtischen Sozialgefüges sowie ein Diakonen-Amt für Frauen. 1534 hat sie eine Liedersammlung herausgegeben und die Psalmen sowie das Vaterunser ausgelegt. Dreimal hat sie gepredigt: Bei der Beerdigung ihres Mannes 1548 und bei Beerdigungen von Täuferfrauen, denen eine christliche Beerdigung vorenthalten wurde. Auch ihr selbst wurde von der verfassten Kirche ein Begräbnis und eine Grabstelle verweigert. Man sorgte sich um die Zukunft der Kirche, wie man schon bei Erasmus lesen kann: „Wenn ihr Euch nicht vorseht, wird es noch so weit kommen, dass die Frauen auf die Kanzel steigen und Euch Eure Bischofsmützen wegschnappen!“ (aus: Der Abt und die gebildete Frau, Erasmus von Rotterdam).


Wibrandis Rosenblatt

Sie ist die Expertin im Führen von Reformatoren-Haushalten, hatte vier Ehemänner, davon drei Reformatoren: Johannes Oekolampad in Basel, Wolfgang  Capito und Martin Bucer in Straßburg. Insgesamt 11 eigene Kinder hat Wibrandis zur Welt gebracht und darüber hinaus auch noch die Kinder ihrer verwitweten Ehemänner wie ihre eigenen großgezogen. Über Ländergrenzen hinweg hat sie Korrespondenzen mit den Ehefrauen anderer Reformatoren geführt, so waren Katharina Zell und einige Reformatoren Paten ihrer Kinder. Mit Martin Bucer hat sie lange in Cambridge gelebt. Bei ihr liefen viele Fäden zusammen. Als sie 1564 an der Pest starb, wurde sie im Kreuzgang des Basler Münsters neben ihrem Mann Oekolampad beerdigt.


Elisabeth Herzogin von Calenberg

Man nennt sie die „Reformationsfürstin“. Denn als Regentin hat sie in ihrem Herrschaftsgebiet 1542 die Reformation eingeführt und hat mit der von ihr selbst erlassenen Kirchenordnung sowie der Klosterordnung wichtige Bausteine für spätere Entwicklungen gelegt. In einem „Sendbrief an die Untertanen“ hat sie sich an die Bürger ihres Fürstentums gewandt und eine evangelische Ethik formuliert. Als gebildete Laientheologin hat sie ein Regierungshandbuch für ihren Sohn Erich II. und ein Ehestandsbuch für ihre Tochter Anna-Maria geschrieben. Auch ein Trostbuch für Witwen hat sie verfasst und ein Buch mit Kirchenliedern. Aber es gab viele Neider und Kritiker: Sie sei zwar von „ergebener Gläubigkeit“, aber auch voller „Herrschsucht“ und von einem „hemmungslosen Machttrieb“ besessen.
 

Magdalena von Staupitz

Sie war Schulleiterin der ersten Elementarschule für Mädchen auf deutschem Boden. Luthers Reformpädagogik hat sie inspiriert, sich für die Bildung von Mädchen einzusetzen. Auf einem Rittergut in eine Familie niederen Adels geboren, wurde sie 1501 in das Zisterzienserkloster in Nimbschen geschickt. Dort war sie als Organistin und Kantorin tätig. Mit Katharina von Bora zusammen und weiteren sieben Mitschwestern ist sie dann aus dem Kloster geflohen, weil Luthers Reformwille zur Rückführung der katholischen Kirche zu den Wurzeln des Evangeliums sie alle überzeugt hatte. Magdalenas Bruder Johann von Staupitz, Beichtvater von Martin Luther und dieser selbst haben sie für die Leitung der ersten Mädchenschule auf deutschem Boden ausgesucht. Immer hatte sie Martin Luthers Worte im Ohr über die Wichtigkeit von Mädchenbildung: „Also kann eyn meydlin ia so viel zeyt haben, das es des tages eyne Stunde zur schule gehe, und dennoch swyns geschefft ym hause wol warte…“ (Martin Luther, WA Sendschreiben)
 

Argula von Grumbach

Die gelehrten Professoren der Universität Ingolstadt forderte Argula von Grumbach unerschrocken dazu auf, mit ihr in den Disput über Fragen der Reformation zu gehen. In den Jahren 1523/24 veröffentlichte sie unter ihrem Geburtsnamen von Stauff zahlreiche Flugschriften. Damit setzte sie sich als erste Frau klar und deutlich für die Reformation ein. Mit ihren Publikationen erreichte sie eine Auflage von ca. 30.000 Exemplaren, eine sehr hohe Auflage für die damalige Zeit. Mit Martin Luther führte sie einen regen Schriftwechsel. Der schrieb über sie: „Der Herzog von Bayern wütet über den Maßen, mit aller Macht das Evangelium zu unterdrücken und zu verfolgen. Die edle Frau Argula von Stauff kämpft in jenem Land schon einen großen Kampf mit hohem Geist und erfüllt von dem Wort und der Erkenntnis Christi. Sie ist es wert, dass wir alle für sie bitten, dass Christus in ihr triumphiere. Sie ist ein besonderes Werkzeug Christi." Andere hielten ihre Schriften für „Weibergeschwätz“.
 

Brigitta Wallner

Diese Holzknechtsfrau und Mutter von sieben Kindern ist als Botengängerin und Bibelschmugglerin für die protestantische Lehre und Glaubensfreiheit in Österreich eingetreten. Dafür war sie dreimal im Gefängnis. Nach dem Toleranzedikt 1781 ließ sie  sich als erste lutherisch registrieren und wurde damit  zum Vorbild für ihre ganze Gemeinde in Gosau, die sich daraufhin als erste in der Gegend neu evangelisch gegründet hat. Somit hat sich auch in Österreich bewahrheitet, was Martin Luther schon in seinen Tischreden festgestellt hat:  „Die Welt kann die Frauen nicht entbehren, selbst wenn die Männer allein die Kinder bekämen.“ (Martin Luther, WA Tischreden) 
 

Elisabeth Cruciger

Sie ist die erste Liederdichterin der Reformation, die es ins evangelische Gesangbuch geschafft hat. 1524 heiratete sie den Wittenberger Reformator Caspar Cruciger, nachdem sie zuvor das Kloster Marienbusch bei Treptow verlassen hatte, in dem sie als Nonne gelebt habe. Viele Kirchenlieder hat sie geschrieben, aber leider ist davon nur noch eines erhalten. Es ist das Lied „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“. Dieses Lied wird noch heute gesungen und es befindet sich im evangelischen Gesangbuch. Mit Katharina von Bora war sie gut befreundet, ihre Tochter Elisabeth heiratete Johannes Luther, Katharina und Martins Sohn. Martin Luther hat eines ihrer Lieder zunächst in sein Gesangbuch unter seinem eigenen Namen übernommen, damit es veröffentlicht werden konnte. Erst viele Jahre später wurde sie selbst als Autorin genannt.

 

Ein Text von Uta Walger.