Kirche anders

Auf dem Weg zur digitalen Kirche

„Kirche ist ein weltlich Ding“, hat Luther einmal gesagt. Wie recht er doch hat. Kirche als Institution gestaltet sich immer wieder neu in den ihr zugrunde liegenden Möglichkeiten. Sie reagiert auf Veränderungen so natürlich, wie auch eine Gesellschaft sich auf Veränderungen einstellt und sich wandelt. Das heißt nicht, dass gute Traditionen einfach fallen gelassen werden, aber doch, dass Ausdrucksformen und Orte sich wandeln. Wohl keiner hätte vor 500 Jahren gedacht, dass es möglich sein könnte, zusammen Gottesdienst zu feiern, ohne dafür im selben Raum zu sein. Ich möchte sogar so weit gehen, dass ich glaube, dass noch vor ein paar Monaten diese Vorstellung für viele Menschen sehr befremdlich geklungen hat. Doch die Coronakrise macht erfinderisch und sie lässt uns auch über uns selbst hinauswachsen.

Eine erste wundervolle Erfahrung, die ich nach meinem Ankommen in dieser Gemeinde machen durfte, war die Bereitschaft des Teams die Krise zu nutzen, etwas Neues zu wagen und Kirche einmal anders zu denken. Aus einer anfänglichen Idee erwuchs ein Konzept, das sicherlich auch nach Corona noch Bestand haben wird: Der Live-Gottesdienst auf YouTube.

Gestartet mit zwei Mikrofonen und zwei Kameras, haben wir unser Onlineangebot mittlerweile mit erheblich mehr Technik versehen. Auch die Möglichkeiten zur Partizipation sind gestiegen, und es stellt sich immer mehr heraus, dass ein Online-Gottesdienst ganz andere, spannende Möglichkeiten bereithält, miteinander zu feiern, zu singen, zu beten und auf das Wort Gottes zu hören.

Dabei war allen klar, dass der Online-Gottesdienst nicht in Konkurrenz zu den normalen Gottesdiensten steht, sondern etwas ganz Eigenes ist. Die Lernkurve, die auch wir machen durften, kann man noch immer auf YouTube sehen. Dabei ist uns der ein oder andere Gottesdienst sehr gut gelungen, in anderen Gottesdiensten hatten wir mit der Technik zu kämpfen. So ist das eben, wenn man etwas Neues ausprobiert. Gleichzeitig waren und sind wir froh zu sehen, dass es tatsächlich einige Menschen gibt, die ganz gezielt und bewusst einschalten, die immer wieder mit dabei sind, sodass sich aus unserem kleinen Account schon eine richtige Community entwickelt hat.

Ich glaube, dass dieser Schritt ein guter Schritt war. Aus der Not geboren, haben wir einen Ort entdeckt, an dem wir ganz neu von der Frohen Botschaft erzählen wollen. Der Schritt ins Digitale ist auch eine Rückbesinnung auf eine ganz ursprüngliche Kompetenz des Christentums. Denn schon die ersten Christinnen und Christen waren Medienmenschen. Damals war das Medium der Wahl der Brief, und wie wir heute in unseren Bibeln sehen und lesen können, wurde dieses Medium gut genutzt,  transportierte es doch schon vor 2000 Jahren die Botschaft von der Liebe Gottes an Orte, an denen die Christinnen und Christen damals ohne dieses Medium nicht hätten sein können.

Ich bin sehr gespannt, was noch alles folgen wird. Wie wir hier in Bickendorf, Ossendorf, Bocklemünd und Vogelsang digitale Kirche werden. Wenn Sie Ideen, Anregungen oder Meinungen haben, dann schreiben Sie mich doch einfach an, per Brief oder . Ich freue mich! Ihr Pfarrer Nico Ballmann.

 

Ursprünglich erschienen im Gemeindebrief Begegnung Nr. 82/2020.
Ein Text von Nico Ballmann.