Frei von Sklaverei und Tod

Pesach beziehungsweise Ostern

Nahe der Zeit des Frühlingsanfangs kurz vor dem christlichen Osterfest wird das jüdische Pessach gefeiert.

Pessach hat auch die Bezeichnung „Fest der Befreiung“. Das Fest erinnert an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei. Der Pharao lässt die Juden frei, nachdem Ägypten von zehn Plagen heimgesucht wurde. Die Letzte Plage war die schlimmste. Alle erstgeborenen ägyptischen Kinder fanden den Tod. Der Todesengel verschonte alle Häuser der Juden (Pessach bedeutet wörtlich: Überschreitungsfest), die sich auf die Flucht vorbreitet und ihre Häuser gekennzeichnet hatten.

Dies ist ein Beitrag zur Kampagne „#beziehungsweise –jüdisch und christlich: näher als du denkst".

Das Pessachfest wird lange vorbereitet und von den jüdischen Familien eine ganze Woche lang gefeiert. Dabei erinnern viele Riten an die bittere Situation der Sklaverei (Bitterkräuter zur Mahlzeit), die Reinigung der Haushalte vor dem Aufbruch von den „normalen“ Getreideprodukten, die Vorbereitung der Speisen (ungesäuerte Brote, Matzah, das Brot der Armen) für die Flucht. Es endet mit einem gemeinsamen und reichhaltigen Festmahl.

Während diese Umstellung der Essgewohnheiten das Pessachfest spürbar prägen, liegt doch sein Hauptinhalt im Thema der Befreiung. Es geht um die Erinnerung an die Leiden Israels in der Knechtschaft und um die Würdigung des Aufbruchs in die Freiheit, der mit Hilfe Gottes gelang.

Aber im Mittelpunkt steht nicht das einfache Nacherzählen der damaligen Erlebnisse der Israeliten, sondern die Vergegenwärtigung der Befreiungserfahrung: „In jeder Generation ist jede und jeder verpflichtet, sich so zu betrachten, also ob er oder sie selbst aus Ägypten ausgezogen wäre“. Nicht von außen, zeitlich und räumlich entfernt von den Ereignissen, soll der Auszug aus Ägypten betrachtet werden, sondern als ob man selbst Teil davon war.

Alle sollen die Erfahrung der Befreiung selbst empfinden können. Die Erzählungen werden angereichert mit Berichten der Alten, wo und wie sie selbst Befreiung erlebt haben. Die Kinder sollen aus den Schriftlesungen und den persönlichen Zeugnissen lernen und sich mit den Geschichten und der Geschichte identifizieren. Pessach ist ein frohes gemeinsames Erlebnis. Es verbindet alle Menschen des Volkes Israel.

Zur Zeit des jüdischen Pessachfestes fand historisch die christliche Ostergeschichte statt.

Die in der Folgezeit etablierte christliche Feier der österlichen Tage folgt aber einer anderen Erzählung als das biblische und das spätere jüdische Pessach. Das letzte gemeinsame Abendmahl (Gründonnerstag) bezieht sich auf die jüdische Pessachfeier. An den folgenden Tagen gedenken Christen der Leidensgeschichte Jesu, seiner Hinrichtung (Karfreitag) und der Auferweckung des Verstorbenen an Ostersonntag.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden in der Osterliturgie die Sündenfall-des-Menschen- und die Jesus-Opferlamm-Theologie abgeschwächt. Heute steht eher im Fokus des christlichen Glaubens, dass durch Jesu Leben Licht in die Welt gekommen ist und durch Jesu Auferweckung die Befreiung vor der Todesangst zu bejubeln ist. Es ist eine Auferweckung zum Leben in Verantwortung für unseren Glauben an Gott, für Solidarität und Nächstenliebe und für die Bewahrung der Schöpfung. Die Trauer über Jesu Tod an Karfreitag zeigt wohin es führt, wenn Menschen ihrer Verantwortung für die Botschaft der Liebe in der Welt nicht gerecht werden.

Die antijüdischen Textpassagen auch gerade aus der Liturgie des Karfreitags und aus der Liturgie des Abendmahls wurden erst in den letzten Jahren entfernt. Von jüdischen und christlichen Menschen gemeinsam gestaltete und verantwortete Pessach-Oster-Feiern mag es experimentell geben. Eine Tilgung der beiden Traditionen und deren Ersatz durch etwas Neues wünscht sich wirklich niemand.

Die Liturgie ist dennoch neben allen anderen Gelegenheiten eine, wo christlicherseits Achtung und Wertschätzung gegenüber dem Judentum eine Selbstverständlichkeit sein muss.

Für gemeinsames Feiern, alle Arten von Kooperation und dem Fördern von Verständnis aus Sympathie und Interesse ist außerhalb der christlichen Liturgie viel mehr Platz als in ihr.

 

Ein Text von Georg Kanonenberg. Die Kampagne „#beziehungsweise – jüdisch und christlich: näher als du denkst“ ist eine ökumenisch verantwortet Kampagne, die dazu anregen möchte, die enge Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum wahrzunehmen. Mehr Informationen finden Sie hier.