Brauchtum

Rituale zum Jahreswechsel

Vom alten ins neue Jahr

Das ganze Jahr hindurch werden Feste gefeiert, in allen Ländern, Kulturen und Religionen. Ein besonderer Anlass ist der Jahreswechsel. Wann genau im Jahreskreislauf das alte Jahr endet und das neue beginnt, wird von der jeweiligen Zeitrechnung, von dem Kalender bestimmt, den eine Kultur für sich aufgestellt hat.

In vielen Ländern wird das neue Jahr mit Feuerwerk begrüßt. (Foto: Pixabay)

Die christliche Tradition des Jahreswechsels

Wir sind, was den Jahreswechsel betrifft, in römischer Tradition, denn im römischen Reich feierte man schon 153 v.Chr. den Jahresbeginn am 1. Januar. Nach der gregorianischen Kalenderreform 1582  kehrte man  im Heiligen Römischen Reich zu diesem Termin zurück. Zuvor war der 24. Dezember der letzte Tag des Jahres.  

Der Name Silvester geht auf den römischen Papst Silvester I. zurück, welcher am 31. Dezember des Jahres 335 verstarb. Aus diesem Grund gedenkt die Kirche an diesem Tag jenem Heiligen. Nach einer alten Legende soll Silvester den kranken römischen Kaiser Konstantin den Großen vom Aussatz geheilt und schließlich getauft haben. Als letzter Jahrestag wird dieser Tag allerdings erst seit dem 17. Jahrhundert gefeiert.

Am 1. Januar, dem Neujahrstag, begeht die katholische Kirche das Hochfest der Gottesmutter Maria. Dieses Fest entstand schon im 7. Jahrhundert in Rom. An diesem Festtag wird Maria besonders in ihrer Funktion als Mutter des Erlösers gedacht. Dagegen feiern die evangelische, orthodoxe und anglikanische Kirche Neujahrstag, das Fest der Beschneidung sowie Namensgebung des Herrn. Im Jahr 1967 erklärte Papst Paul VI. den Neujahrstag zudem zum Weltfriedenstag.


Wie feiern verschiedene Kulturen die „Rituale des Übergangs“?

Das Neujahrsfest, die Zeit zwischen den Jahren, vereint weltweit ganz verschiedene Kulturen. Zwar wird das Neujahrsfest an unterschiedlichen Tagen gefeiert – aber insbesondere das familiäre Treffen und das exquisite Essen gibt es fast überall als Ritual. Wie unterscheiden sich die Weltreligionen mit Blick auf das Brauchtum heute?


Evangelisches und Katholisches Christentum in Europa

Gemäß der Historie schließt sich die christliche Kirche dem Sonnenkalender an und feiert am 31. Dezember eines Jahres Silvester. In vielen Regionen feiern die Kirchen den letzten Tag des Jahres mit einem Gottesdienst zum „Altjahresabend“. Abhängig von der jeweiligen Region in Stadt und Land gibt es viele Rituale und Bräuche religiösen oder auch nichtreligiösen Ursprungs, die das neue Jahr begrüßen:

• Feuerwerk, Wunderkerzen oder Brauchtumskerzen
• Glockenläuten und Turmbläser
• Silvesterdinner, Silvesterball
• Bleigießen, Glücksbringer oder Silvesterscherze
• Neujahrsgruß, Korkenknallen Sektflaschen
• Neujahrsläufe oder Neujahrsfeuer
• Neujahrsbäder im Eiswasser
• Besonderer Tierschmuck, besondere Gaben für Tiere
• Besondere Süßspeisen „Neujahrsbrezel“ und „Neujahrskrapfen“

An Silvester läuten die Glocken der christlichen Kirchen. (Foto Pixabay)

 

Orthodoxe Christen

Die Gans steht auf dem Herd und duftet, daneben die traditionellen Krautwickel, gleich kommen die Gäste und bringen das Brot mit der eingebackenen Münze mit. Gemeinsam feiern sie Vasilica, genannt nach dem Heiligen Vasili. Es sind vor allem serbische und mazedonische Roma, die Vasilica am 14. Januar, dem Neujahrstag der orthodoxen Christen, zelebrieren. Es wird gegessen, musiziert, gefeiert und getanzt.

Traditionelles Brot zu Vasilica. (Foto Wikipedia)

 

Judentum

Das Judentum regelt den Jahresablauf nach dem Mondkalender. In der Synagoge wird mit schrillen Klängen das Widderhorn geblasen. Zum jüdischen „Rosch Haschanah“ wird mit Granatapfel, Fischkopf und Hefezopf als besonderes Speiseritual weltweit ein süßes neues Jahr gewünscht, ebenso wird das runde Brot Challot zum Apfel mit Honig gereicht.

Das Schofar, ein Widderhorn, wird vom Rabbiner geblasen. (Foto: Wikipedia)

 

Islam

Das islamische Neujahr wird in der Moschee und im Anschluss mit der Familie gefeiert. Ganz wichtig hierbei sind das gemeinsame ausgiebige Essen und kleine Geschenke für die Kinder. In Tunesien wiederum gibt es traditionell Hähnchen zum Essen, ein Sprung durch das Feuer soll Krankheiten vertreiben und die Gesundheit erhalten.

An Silvester feiern Muslime in der Moschee. (Foto: Pixabay)

Hinduismus

Die Einwohner der indonesischen Insel Bali leben im wahrsten Sinne des Wortes nach dem Mond. Ihr Neujahrsfest fällt nach dem Mondkalender in den März. Die Menschen tanzen auf den Straßen und ziehen mit riesigen Geisterstatuen lärmend von Dorf zu Dorf – alles, um dann plötzlich wie in einen Dornröschenschlaf zu verfallen.

Bunte Puppen, sog. Ogoh-Ogoh, symbolisieren böse Geister (Foto: Wikipedia)

 

Buddhismus

Die Chinesen feiern weltweit das Laternenfest zum neuen Jahr nach dem Lunisolarkalender (chinesischer Mondkalender), der den Namen des Tieres für ein Jahr vorgibt, z. B. 2021 Jahr des Büffels. In Chinas Hauptstadt Peking gibt es immer weniger Feuerwerk als früher, um den Smog nicht weiter zu verschlimmern. Der Jahreswechsel gilt als der wichtigste chinesische Feiertag. Die Chinesen feiern das Neujahrsfest traditionell im kleinen Kreis. Die engen Verwandten essen zusammen und machen sich Geschenke. Die alte Tradition, Präsente an Vorgesetzte und Kollegen zu geben, ist heutzutage wegen Korruptionsgefahr nicht mehr gern gesehen.

China begrüßt das chinesische neue Jahr mit Laternen. (Foto Pixabay)

 

Warum brauchen wir Brauchtum?

Im berühmten Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry erklärt der Fuchs: „Es muss feste Bräuche geben,“ und antwortet auf die Frage des kleinen Prinzen, was ein fester Brauch sei: „Es ist das, was einen Tag vom anderen unterscheidet, eine Stunde von den anderen… sonst wären die Tage alle gleich.“

Ja, ich denke, wir brauchen das Brauchtum in allen Religionen und für alle Menschen! Ob mit oder ohne besonderem religiösen Hintergrund eint es die Menschen und gibt Halt und Kraft. Die Geschichte vom kleinen Prinzen gibt das wunderbar wieder: Alle Tage sollen nicht gleich sein, wir möchten uns auf etwas Besonderes freuen, etwas Schönes erleben, teilhaben an einem Ritual, einem Brauch, den es schon lange gibt, den unsere Väter und Mütter und ihre Vorfahren schon gelebt haben. Brauchtum spiegelt die Geschichte der verschiedenen Religionen und Kulturen eines Landes wider und bietet auch Nahrung für die Seele des Menschen, so wie wir Christen z.B. durch das Kirchenjahr begleitet werden. Hier gibt den Christenmenschen die immer wiederkehrende Liturgie mit den dazugehörigen Handlungen Liebe, Kraft und Zuversicht.

 

Die Neujahrsbrezel ist ein traditionelles Hefegebäch. (Foto: Pixabay)

 

Ein besonderer Tag

Für mich ist der letzte Tag im Jahr immer ein ganz besonderer Tag, der mit viel Vorfreude geplant wird und mich auch an viele kleine Geschichten von früher erinnert. Als unsere Söhne im Kleinkindalter waren, wurde der Silvesternachmittag in unserem Haus mit allen Kindern der Familie gefeiert. Meine Schwägerin aus Russland mit ihrem kleinen Sohn ließ kurz vor dem Essen Badewasser ein und erklärte mir, dass sie in Russland den Jahreswechsel nur feiern dürften, wenn sie vorher ausgiebig gebadet haben. So wurde mit dem Essen noch gewartet, bis die Familie vollständig am Tisch saß. Besonders freuten wir uns am Ende des Tages auf die Neujahrsbrezel mit dem eingebackenen Glückszettel.